Was ist ein Gebet und wie betet man?
 
Für mich muss ein von anderen übernommenes (tradiertes) Gebet das Herz berühren, es muss einen innerlich ansprechen und erheben. Denn ein Gebet soll eine Verbindung herstellen zu einer höheren, psychischen Ebene, in der man leichter die kosmisch-göttliche Ebene berühren kann, d.h. Kontakt zu Gott findet, zum allumfassenden Göttlichen. Gebete sind aus dem Unbewussten in Worten manifestierte Bilder und Gefühle genauso wie bewusste Programme zur Kontaktierung von höheren Ebenen, welche in Worte gefasst sind.
 
Im Grunde würde es reichen, sich in die Meditation zu begeben, seinen Geist in der inneren Stille nach oben zu richten und Gefühle der Liebe und entsprechende innere Bilder und Wünsche in sich aufsteigen zu lassen. Bilder, warum man den Kontakt herstellen will: um Trost zu erfahren, Hilfe, um einfach sich zu freuen, Frieden oder Kraft zu erhalten, Weisheit, um eine Lösung für ein Problem zu erhalten, um Gott zu ehren, um etwas für andere zu erbitten usw. Man kann somit Gebete auch nur fühlen oder sehen, oder frei formulieren. Oder eben ein bekanntes tradiertes Gebet verwenden, dem man entsprechende Gefühle unterlegt. Aber immer sollte das Herz dabei mitschwingen.
 
Mantras sind kurze Gebete, bei denen durch monotone rhythmische Wiederholung von Silben (bzw. Klängen von Musikinstrumenten) der Meditierende in eine Art einfachste Trance versetzt wird, eben den Zustand, den man für das innere Gebet oder die Meditation benötigt. Wer die Technik beherrscht, benötigt sie nicht unbedingt (mehr); ebensowenig wie bestimmte Atemtechniken.
 
Betrachten wir ein uns sicher allen bekanntes Gebet aus dem Neuen Testament, das ich in etwas moderneren Worten wiedergebe:
 
"Unser Vater im Himmel, geheiligt ist dein Name,
dein Reich komme, dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
 
Gib uns unser tägliches Brot heute,
und vergib uns unsere Schuld,
genauso wie auch wir denen vergeben, die gegenüber uns Schuldner sind,
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
 
(Denn dein ist das Reich und die Macht und die Herrlichkeit,
in Ewigkeit, Amen.)"
 
In etwa entspricht dieses Gebet dem Pentagramm-Schutz-Ritual genauso wie auch Kreuz und Pentagramm letztlich die symbolische Zahl 5 entsprechen (4+1). Betrachten wir die einzelnen Absätze:
 
Hier wird im ersten Absatz der beabsichtigte Empfänger des Gebetes angerufen und zu uns (als seinem Geschöpf, Gefäß und Kind) eingeladen, in einen vorbereiteten, heiligen "Raum" oder symbolischen Tempel, so dass eine Verbindung "zwischen Himmel und Erde" entstehen kann, ja dass das Göttliche alles (und uns) ausfüllen kann.
 
Der zweite Absatz nennt unser Anliegen. Man kann aber nicht erwarten, dass wir Gehör finden, wenn wir selbst uns verdunkelt haben, und gar nicht die göttliche Ebene erreichen können durch unsere Dunkelheit hindurch.
Man kann auch nicht erwarten, dass wir etwas erbitten können, wenn wir selbst extrem kleinlich und rachsüchtig sind und nicht teilen können. Wer anderen nichts gönnt und alles nachträgt, bekommt auch nichts und wird genauso kleinlich gemessen werden.
Am Ende wird der Wunsch ausgesprochen,  geschützt zu werden – sowohl vor  dem Begehen eigener Fehler als auch durch das Wirken anderer Personen, Kräfte und Mächte. Auf dass alles licht werde.
 
Der dritte zugefügte Absatz stellt wieder als Kreis den Kontext zum 1. einleitenden Absatz her, so wie rituell üblich. Man könnte auch einen kurzen Dank hinzufügen.
Das "Vater Unser" ist somit gleichermaßen Gebet wie Lehre, wie man Gebete verfasst als auch Ritual.
"Amen" ist als Bekräftigung und Segen aufzufassen, heilige Silben (Name) im Sinne von: "Es ist!" (Was die Manifestation des Gewünschten abschließt.) Man sollte das Ganze in einigen Pausen innerer Stille ausklingen lassen, das Gebet sozusagen aus seinem Geist in höhere Sphären "entlassen".
 
Man sollte eigentlich seine Gebete an die höchste Instanz richten (dem universellen Göttlichen, Gott/Göttin), dennoch kommt es vor, dass man sich an untergeordnete Vermittler und Kräfte wendet. Hier kann man Höflchkeit und Respekt zum Ausdruck bringen und ein Dankeschön wäre auch angebracht. Aber die Verehrung sollte immer der höchsten Instanz vorbehalten bleiben.
 
 
 
Anschließend einige Gebete, wie sie aus den Herzen von Menschen geflossen sind:
 
 
An den Heiligen Geist, den Tröster
 
Heiliger Geist, du Herz der Gottheit, in dir ist alles Lebendige geborgen.
Über aller Gefahr ist deine Behütung.
Über aller Trostlosigkeit ist dein Trost.
Über aller Zerstörung ist deine Vollkommenheit.
Über aller Wirrnis der Erde ist deine göttliche Ruhe.
 
Dass du da bist, Heiliger Geist, dass ich von dir weiß, das deine ewige, unwandelbare Liebe das Erdall trägt –
und auch mich und all das Meine, gibt mir Hoffnung und Zuversicht.
 
Erwecke in meinen müden Herzen die Kraft, aus irdischer Betrübnis mich aufzuschwingen zu dir
und mitten in Not und Gefahr zu ruhen in der Geborgenheit deiner Liebe.
Amen.
 
(Gebet von Dr. Karl Friedl)
 
 
 
Bitte um die Gesinnung der Caritas
 
Gott, mach mich zu einem Werkzeug des Friedens,
dass ich Liebe bringe, wo Hass ist; dass ich verzeihe, wo Schuld ist;
dass ich vereine, wo Zwietracht herrscht;
dass ich Wahrheit bringe, wo Finsternis ist,
dass ich den Glauben bringe, wo Irrtum ist;
dass ich Freude bringe, wo leid ist;
nicht, um getröstet zu werden, sondern um zu trösten;
nicht, um verstanden zu werden, sondern um zu verstehen;
nicht, um geliebt zu werden, sondern um zu lieben.
 
Nur diese ist wichtig,
denn da wir geben, empfangen wir;
da wir uns selbst vergessen, finden wir;
da wir verzeihen, erhalten wir Vergebung;
da wir sterben, gehen wir ins neue Leben.
Amen.
 
(Franz von Assisi)
 
 
 
Aus: Essener-Meditationen
 
Du hast mir offenbart all dei tiefen, geheimnisvollen Dinge.
Mit deinem Gesetz führst du mein Herz, so dass ich miene Füße auf die rechten Wege setze
und dort einhergehe, wo du bist.
 
Das Gesetz war gepflanzt um die Kinder des Lichts zu beschenken mit heilenden Frieden in Fülle.
Mit langem Leben, mit fruchtbaren Samen ewigwährender Wohltaten,
mit ewiger Freude in der Unsterblichketi des ewigen Lichtes.
 
Ich werde deine Worte preisen mit Gesängen des Dankes, unaufhörlich,
in jeder Periode des Tagesablaufs und an festen Zeiten.
Mit dem Erscheinen des Lichts aus seiner Quelle
und zur Abenddämmerung und dem Erlöschen des Lichts,
mit dem Ausgang der Dunkelheit und dem Hereinbrechen des Tages.
Beständig, zu allen Z eiten, in allen Generationen.
 
(Aus den "Danksagungspsalmen" der Schriftrollen vom Toten Meer XVII (xü) 4-12.)
 
 
 
Aus dem Schacharit (jüdisches Morgengebet):
 
Mein Gott! Die Seele, die du mir rein gegeben, du hast sie geschaffen, du hast sie gebildet, du hast sie mir eingehaucht, und du hütest sie in mir, du wirst sie einst von mir nehmen und sie mir wiedergeben in der zukünftigen Welt. So lange die Seele in mir ist, danke ich dir, Ewiger, mein Gott und Gott meiner Väter, Meister alles Werke, Herr aller Seelen. Gelobt seist du, Ewiger der die Seelen zurückgibt den toten Leibern.
 
(Birchot haschachar )
 
 
 
Gebet in seelischer Not
 
In den Tiefen, die kein Trost erreicht, lass doch deine Treue mich errreichen,
in den Nächten, wo der Glaube weicht, lass nicht deine Gnade von mir weichen,
auf dem Weg, den keiner mit mir geht, wenn zum Beten die Gedanken schwinden,
wenn mich kalt die Finsternis umweht, wolltest du in meiner Not mich finden.
 
Wenn ich deine Hand nicht fassen kann, nimm die meine Du in Deine Hände,
nimm dich meiner Seele gnädig an, führe mich zu einem guten Ende.
 
(Justus Delbrück)
 
 
 
Einheit
 
Liebreicher Gott, du gütigste Mutter,
die mich überall, wohin ich gehen mag, im Inneren trägt:
Gib mir, dass auch ich dich immer im Inneren trage durch die Erkenntnis und Liebe,
indem ich das Gute, das du mir verleihst, erkenne und dich liebe wegen der Liebe,
die du zu mir hast.
 
Ich bin in deiner Güte: wandle sie in mich um.
Ich lebe in deiner Liebe: entflamme mich mit ihr.
ich wandle in deiner Allmacht: unterstütze mich durch sie.
 
Und weil ich ganz in dir bin, so gestalte mich ganz in dich um,
dass ich fortan nicht mehr in mir, sondern ganz dir lebe in Ewigkeit.
 
(Ludwig de Ponte)
 
 
 
Gebet für einen erlegten Hirsch
 
Ich war bedürftig. Ich habe dir Schönheit, Anmut und das Leben genommen.
Ich habe deine Seele von ihrem weltlichen Leib gesondert.
Nie mehr wirst du in Freiheit laufen, weil ich bedürftig war.
 
Ich war bedürftig. Im Leben hast du deinesgleichen in Güte gedient.
Mit deinem Leben will ich meinen Brüdern dienen.
Ohne dich muss ich hungern und werde schwach.
Ohne dich bin ich hilflos, nichts.
 
Ich war bedürftig.
Gib mir Kraft durch dein Fleisch. Gib mir deine Hülle als Schutz.
Gib mir deine Knochen für meine Arbeit, und mir wird es an nichts fehlen.
 
(Gebet der Ojibwa-Indianer in Nordamerika)
 
 
 
An den Großen Geist

Oh großer Geist, dessen stimme ich in den Winden vernehme und dessen Atem der ganzen Welt Leben spendet, höre mich.
Ich trete vor Dich hin als eines Deiner vielen Kinder. Ich bin klein und schwach. Ich bedarf Deiner Kraft und Weisheit. Laß mich in Schönheit wandeln und laß meine Augen immer den roten und purpurnen Sonnenaufgang schauen.

Laß meine Hände die Dinge verehren, die Du gemacht hast, und meine Ohren Deine Stimme hören. Schenke mir Weisheit, damit ich die Dinge, die Du mein Volk gelehrt hast, und die Lehre, die Du in jedem Blatt und in jedem Felsen verborgen hast, erkennen möge. Nicht um meinen Brüdern überlegen zu sein, suche ich Kraft, sondern um meinen größten Feind bekämpfen zu können – mich selbst.

Mache mich immer bereit, mit reinen Händen und geradem Blick zu Dir zu kommen, damit mein Geist, wenn dereinst mein Leben verblaßt wie die untergehende Sonne, ohne Scham zu Dir kommen möge. 

(Gebet der Sioux-Indianer)

 
 
Was in dieser Welt wahr ist…
 
Ich glaube, Vater im Himmel, dass du nahe bei mir bist.
Du kennst mich und sprichst zu mir.
Ich glaube, dass du mir zugewandt bist mit deinem Angesicht.
 
Dir muss ich mich zuwenden, wenn ich mich selbst finden will.
Denn ich bin nur, was ich in deinen Augen bin.
Ich kenne das Geheimnis nicht, das in mir ist,
bis du es offenbarst im Schein deines Angesichts.
 
Alles spiegelt sich in dir.
Was in dieser Welt wahr ist, ist es, weil du die Wahrheit bist.
Was in dieser Welt Leben hat, lebt, weil du das Leben bist.
Was in dieser Welt schön ist, ist es durch dich, ewige Schönheit.
Wenn ich glücklich bin, dann, weil du ja sagst zu mir.
 
(Ricarda Huch)
 
 
Gib mir die Hoffnung…
 
Herr Jesus Christus, du warst arm und elend, gefangen und verlassen wie ich.
Du kennst alle Not der Menschen.
Du bleibst bei mir, wenn kein Mensch mir beisteht.
Du vergisst mich nicht und suchst mich.
Du willst, dass ich dich erkenne und mich zu dir kehre.
Herr, ich höre deinen Ruf und folge, hilf mir!
 
Heiliger Gott, gib mir den Glauben, der mich vor Verzweiflung, Süchten und Laster rettet,
gib mir die Liebe zu Gott und den Menschen,
die allein Hass und Bitterkeit vertilgt,
gib mir die Hoffnung, die mich befreit von Furcht und Verzagtheit…
 
(Dietrich Bonhoeffer)
 
 
 
Friedensgebet

Herr, allmächtiger Gott, wir erheben unsere Herzen zu Dir und erbitten Dein Erbarmen. Sieh herab auf uns, Deine Kinder, die wir uns im Aufruhr einer aufgewühlten Welt plagen mit Leid, Schmerz, Depression, Verfolgung, Gewalt, Verbitterung, Hass, und vor allem mit Ungerechtigkeit. O Herr, erbarme Dich unser.

Dein Friede komme über unsere Stadt, die Stadt des Friedens, die so lange der Geissel des Kriegs ausgesetzt war und immer noch ist.

O Herr, gedenke all derer, die verfolgt und gefoltert werden – und schütze sie. Gedenke der Hinterbliebenen – und schenke ihnen Anteilnahme. Ein Dach für die Obdachlosen, rasche Gesundung für die Kranken und Umkehr für die Sünder. Lass die Lenker unserer Welt gerecht und verständnisvoll handeln.

Wir beten darum, dass überall Gerechtigkeit und Friede herrschen möge. O Herr, unser Vater, gib uns Frieden – doch nicht den Frieden dieser Welt, sondern den von Dir verheissenen immerwährenden himmlischen Frieden tief in unseren Herzen. Gib uns die Kraft, zu vergeben und zu vergessen und unsere Herzen zu füllen mit Liebe zu allen unseren Mitmenschen, zum Ruhme Deines heiligen Namens. Amen.

(Ein Gebet von Seiner Eminenz Erzbischof Dr. Anba Abraham, Koptisch-Orthodoxes Patriarchat – Heiliger Stuhl von Jerusalem und dem Nahen Osten)